Gemälde: Rembrandt - Die Rückkehr des verlorenen Sohns

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht“, sagt der Volksmund. Wer versagt hat, der ist abgeschrieben. Eine neue Chance ist in unserer profitorientierten Gesellschaft nicht vorgesehen. Wie verhalte ich mich dazu?

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Das ist meine eigene Regel.

Was bedeutet das für mich?

In erster Linie möchte ich selbst eine gnädige Haltung einnehmen. Jeder Mensch macht Fehler, dabei verletzt man gelegentlich auch Mitmenschen. Es ist menschlich verständlich, dass dabei Vertrauen zerbricht.

Ich brauche also den festen Vorsatz und den Mut, diesem Impuls entgegenzuwirken. Schon bevor ich in eine konkrete Situation komme, arbeite ich an meiner Haltung in dieser Sache.

Dazu ist es mitunter hilfreich, alte Maßstäbe über Bord zu werfen. Anerkannte Bewertungskriterien in Politik und Wirtschaft sehen häufig keine zweite Chance vor. Es liegt an mir, die Kriterien zu hinterfragen und meine eigene soziale Einstellung mit einzubringen. Deshalb habe ich dieses Ziel in meine Regeln aufgenommen.

Verfolgtes Ziel

Ich möchte aus Nächstenliebe handeln. Natürlich auch aus dem Antrieb heraus, dass ich selbst eine zweite Chance wünsche, wenn ich versagt habe. Auch hier ist Jesus mein größtes Vorbild, der nicht nur den Menschen am Rand der Gesellschaft wohlgesonnen war, er hatte immer auch einen Blick für die Zukunft des Anderen.

Passt das zu meinem christlichen Glauben?

Jesus erzählt die Geschichte vom verlorenen Sohn. Der lässt sich sein Erbe im Voraus ausbezahlen und verprasst das ganze Geld in der Stadt. Freunde hat er nur, solange er noch Geld in seiner Tasche hat. Als er finanziell am Ende ist, ist er auch allein. Er muss Schweine hüten, um wenigstens einen Platz zum Schlafen zu haben. Dann erinnert er sich an den Gutshof seines Vaters, bei dem sogar die Stallknechte besser dran sind als er in dieser Situation. Er macht sich auf den Heimweg, um seinen Vater um einen Job zu bitten.

Doch der Vater wartet voller Liebe auf ihn. Er nimmt ihn in den Arm und küsst ihn. Der Heimkehrer weiß um seine Lage:

Vater, ich bin schuldig geworden an Gott und an dir. Sieh mich nicht länger als deinen Sohn an, ich bin es nicht mehr wert.

Die Bibel, Lukas 15, 21

Doch der Vater gibt ihm die unverdiente zweite Chance, er nimmt ihn wieder in die Familie auf. Viel mehr noch, er feiert für den Heimkehrer ein Fest. Er sagt:

Denn mein Sohn war tot, jetzt lebt er wieder. Er war verloren, jetzt ist er wiedergefunden.

Die Bibel, Lukas 15, 24

Jesus hat sich immer wieder gegen das jüdische Establishment durchgesetzt und Menschen eine neue Chance gegeben, die sie nach dem Gesetz nicht verdient haben. Nach seinem Vorbild passt auch diese Regel zu meinem Glauben.

Für mich oder für andere?

In erster Linie ist diese Regel für mich, denn Gnade kann man nicht fordern. Aber man kann andere Menschen mit Güte und Wohlwollen behandeln, auch wenn sie es sich nicht verdient haben.

Wenn ich nicht der Einzige bleibe, dem das ein Anliegen wird, dann kann ich vielleicht eines Tages selbst davon profitieren: Jemand gibt mir eine neue Chance, die ich nicht verdient habe.

Persönliches

Jemandem eine neue Chance geben, die er nicht verdient hat, ist eine großmütige Haltung. Diese Einstellung bringt Wärme in mein soziales Umfeld. Doch ich weiß auch aus eigener Erfahrung, dass diese Haltung mich verletzbar macht. Es ist mir schon mehr als einmal in meinem Leben passiert, dass meine Großzügigkeit ausgenutzt wurde.

Es tut weh, wenn ich für eine liebevolle Geste verspottet werde oder wenn mein weites Herz gnadenlos ausgenutzt wird. Ich bin traurig, wenn ich Menschen erlebe, die sogar versuchen, meine Güte noch weiter zu dehnen und meine Grenzen austesten.

In der heutigen Gesellschaft ist es normal, dass eine soziale Einstellung Spott oder Unverständnis nach sich zieht. Für manche Zeitgenossen ist es geradezu ein Volkssport, das Wohlwollen Anderer zum eigenen Vorteil auszunutzen. Sie möchten den größtmöglichen Profit daraus ziehen.

Doch all das soll mich nicht daran hindern, bei nächster Gelegenheit wieder ein großes Herz zu zeigen. Ich möchte nach Verletzungen wieder den Mut haben, anderen eine unverdiente zweite Chance zu geben.

Mein Name, Johannes, bedeutet „Gott ist gnädig“. Das haben meine Eltern als Überschrift über mein Leben gesetzt. Wenn ich das glaube und für mich annehme, dann finde ich immer wieder die Kraft, gnädig mit meinen Mitmenschen umzugehen.


Dieser Beitrag ist Teil meiner Reihe über meine eigenen Lebensregeln.

Die Bibelstellen sind der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002 by International Bible Society®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Bildnachweis: Rembrandt – Die Rückkehr des verlorenen Sohns. Public Domain. Übernommen aus Wikimedia Commons.

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