Regeln gibt es überall: Hausordnung, Verkehrsregeln, Qualitätsleitlinien, Spielregeln oder eine Tagesordnung für die Sitzung. Wer bestimmt eigentlich die Regeln und wie weit geht ihr Geltungsbereich? Wo ist der Bereich, in dem ich meine Regeln festlegen und durchsetzen kann?
Quelle
Das ist meine eigene Regel.
Was bedeutet das für mich?
Diese Regel vereinfacht das Zusammenleben. Nach dem ersten Eindruck scheint diese Regel ziemlich krass zu sein, sie klingt sogar egoistisch. Doch ist sie das wirklich?
Für mich gilt diese Regel in beide Richtungen: In meinem Einflussbereich möchte ich mich nicht unwohl fühlen, weil andere ihren Habitus durchsetzen. Umgekehrt heißt das aber auch: Wenn ich mich in fremder Umgebung aufhalte, passe ich mich soweit möglich an die Gegebenheiten an, die dort gelten.
In einer Bibliothek höre ich nicht laut Musik. Eine italienische Kirche besichtige ich nicht in kurzen Hosen. Wenn mein Gastgeber um 6 Uhr frühstückt, bestehe ich nicht auf Ausschlafen. Und wenn ich meinen türkischen Freund besuche, dann ziehe ich an der Wohnungstür meine Straßenschuhe aus.
In meiner Wohnung darf man nicht rauchen. Bei mir zuhause läuft keine Volksmusik. Wenn ich meine kreative Phase habe, dann liegt bei mir viel Zeug scheinbar ungeordnet herum. Samstags wird geputzt, an den anderen Tagen nur bei dringendem Bedarf. Alle diese Regeln gelten, wenn ich allein zuhause bin, warum also nicht auch in Gemeinschaft mit anderen?
Verfolgtes Ziel
Zuerst einmal dient diese Regel der Vereinfachung. Ich kenne Gastgeber, die sich immer danach strecken, ihren Gästen eine Umgebung zu schaffen, die ihren Gewohnheiten möglichst weit entgegen kommt. Das macht viel Stress, wenn man Besuch empfängt. Ich habe das früher auch so gemacht und dann beobachtet, dass ich zeitweise lieber darauf verzichtet habe, Gäste zu empfangen, weil es ja so anstrengend war.
Und damit sind wir schon beim zweiten Ziel: Ich möchte in meinem Leben mehr Gastfreundschaft praktizieren. Im Moment geht das eher nicht, weil ich selbst nur Gast bin. Doch in meiner eigenen Wohnung mag ich jederzeit Gäste empfangen. Das gelingt, wenn die Gäste keine Ansprüche stellen (Natürlich gibt’s bei mir immer Kaffee oder Tee), aber auch wenn ich mich von dem Zwang verabschiede, ein perfekter Gastgeber sein zu müssen. Mein Traum ist immer noch ein großes Haus mit offenen Türen, wo man einfach vorbei kommen kann.
Passt das zu meinem christlichen Glauben?
Ja, in der Bibel finde ich für beide Aspekte dieser Regel gute Beispiele.
Als Jesus in seinen letzten Tagen vor seinem Prozess den Tempel besucht hat, der für ihn das Haus seines Vaters ist, ist er entsetzt über die Geschäftemacher.
Dann ging Jesus in den Tempel, jagte alle Händler und Käufer hinaus, stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer um und rief ihnen zu: »Ihr wisst doch, was Gott in der Heiligen Schrift sagt: ›Mein Haus soll ein Ort des Gebets sein‹, ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus!«
Die Bibel, Matthäus 21 Verse 12-13
Hier setzt Jesus in seinem Haus seine Regeln durch.
Paulus wiederum berichtet der Gemeinde in Korinth, wie er sich seiner jeweiligen Umgebung anpasst und deren Regeln unterwirft, solange sie nicht seinen Glauben brechen:
Ich bin also frei und von niemandem abhängig. […] Damit ich die Juden für Christus gewinne, lebe ich wie ein Jude: Wo man alle Vorschriften des jüdischen Gesetzes genau befolgt, lebe ich auch danach, obwohl ich nicht mehr an sie gebunden bin. Denn ich möchte auch die Leute gewinnen, die sich dem Gesetz unterstellt haben. Bin ich aber bei Menschen, die dieses Gesetz nicht haben, dann passe ich mich ihnen genauso an, um sie für Christus zu gewinnen. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich gegen Gottes Gebote stelle. Ich befolge das Gesetz, das Christus uns gegeben hat. Wenn ich mit Menschen zu tun habe, die arm und rechtlos sind, dann begebe ich mich mit ihnen auf eine Stufe, um sie für Christus zu gewinnen.
Die Bibel, 1. Korinther 9 Verse 19-22
Es gibt kein biblisches Gesetz, das direkt zu meiner Regel führt, aber die Beispiele zeigen, dass sie aus meiner Sicht inhaltlich mit der christlichen Lehre zu vereinbaren ist.
Für mich oder für andere?
Wie oben schon beschrieben, hat diese Regel für mich zwei Komponenten. Wenn ich von anderen erwarte, dass sie sich in meinem Umfeld nach meinen Ordnungen richten, dann sollte es selbstverständlich sein, dass ich in fremder Umgebung auch die dort geltenden Gebräuche einhalte.
Persönliches
Gibt es denn gar keine Grenzen für diese Regel? Doch, natürlich gibt es die: Es ist dasselbe wie bei den Menschenrechten: Ich darf sie so lange für mich in Anspruch nehmen, wie ich dadurch nicht die Rechte von anderen verletze.
Ich gebe mal ein praktisches Beispiel: Bei mir gibt es in der Regel zum Abendessen Brotzeit. Es fällt mir also leichter, ein offener Gastgeber zu sein, wenn nicht unterschwellig erwartet wird, dass ich eine warme Mahlzeit zubereite. Dabei bin ich aber durchaus bereit, die Grenzen zu beachten: Wenn mein muslimischer Freund zu Besuch kommt, gibt es eben auch Käse oder Fisch als Brotbelag, denn ich weiß, dass er aus religiösen Gründen meinen Schinken nicht essen würde.
Wenn die Politik über die Einwanderungsregeln diskutiert, würde dieser Ansatz gute Impulse setzen. Gerne empfangen wir Gäste, vor allem solche, die sich in einer echten Notlage befinden. Diese Menschen genießen unsere Gastfreundschaft, sie behalten ihre Menschenrechte, aber darüber hinaus erwarte ich, dass sie sich an unsere Regeln halten. Uns fällt die Gastfreundschaft leichter, wenn wir nicht versuchen, die Gäste nach deren Regeln zu empfangen, sondern sie einfach mit in unseren Alltag hineinnehmen. Aber genug der Politik, zurück zu meinem Leben.
Am Ende gilt: Liebe geht über Regeln. Gerade bei Ordnungen, die ich mir selbst auferlegt habe, habe ich auch die Freiheit, jederzeit darauf zu verzichten. Ausnahmen müssen aber Ausnahmen bleiben, sonst machen die Regeln keinen Sinn. Nächstenliebe soll mir nicht als Ausrede dienen, genau die Regeln zu brechen, die mich selbst vor schädlichen Einflüssen oder meiner eigenen Nachlässigkeit schützen sollen.
Ich habe erlebt, wie entspannend es ist, bei Leuten zu Gast zu sein, die sich nicht für mich verbiegen. Da fällt es mir leicht, mich deren Regeln anzupassen. Genauso gerne mag ich Menschen um mich haben, die ich einfach in meiner Umgebung willkommen heißen darf. Mein Haus – meine Regeln!
Dieser Beitrag ist Teil meiner Reihe über meine eigenen Lebensregeln.
Die Bibelstellen sind der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002 by International Bible Society®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags.