DVD-Cover We are Legion

Wie sehen Demonstrationen im digitalen Zeitalter aus? Wie veranstaltet man ein Sit-in, wenn es keinen Ort mehr gibt, wo das Ziel der Unmutsbekundung seinen Sitz hat? Die Bewegung „Anonymous“ verlagert die Meinungsäußerung in die digitale Welt und wendet dabei – ebenso wie in der realen Welt – Maßnahmen an, die das Ziel der Demonstration stören.

Die Dokumentation von Brian Knappenberger zeigt in 95 Minuten die wichtigsten Aktionen, die von Anonymous durchgeführt wurden, dazu Interviews mit aktiven und ehemaligen „Mitgliedern“. Eine feste Struktur gibt es in dieser Organisation nicht, denn ein gewisses Maß an Anarchie gehört zum Konzept.

Im Jahr 2008 wurde Anonymous bekannt durch weltweite Aktionen gegen Scientology. Entgegen allen Erwartungen war die Zahl der Protestteilnehmer hoch. Da Scientology nachgesagt wird, Kritiker zu verfolgen, haben sich die Demonstranten überwiegend maskiert. Masken mit der Darstellung von Guy Fawkes aus dem Comic V wie Vendetta wurden daraufhin zum Markenzeichen von Anonymous.

Der größte Coup der sogenannten „Hacktivisten“ war die Unterstützung der verschiedenen Bewegungen des Arabischen Frühlings auf der arabischen Halbinsel und in Nordafrika. Die Gruppierung ging gegen irreführende Veröffentlichungen der jeweiligen Regierung vor und bot Möglichkeiten zur Internetverbindung an, als die Regierungen versuchten, in ihrem Land das Internet abzuschalten.

Die Reaktion der internationalen Strafverfolgungsbehörden auf diese Gruppe war teilweise rabiat. Ein digitales Demonstrations- und Streikrecht wird vehement verneint. Dadurch wurden Aktivisten mit massiven Vorwürfen zur Fahndung ausgeschrieben. Die meist jugendlichen Computerfreaks wurden vorwiegend in den USA verhaftet und der Justiz zugeführt.

Zum beginnenden Abstieg hat die teilweise Aufspaltung der Bewegung beigetragen. Während einige an ihre Aktionen hohe moralische Maßstäbe anlegten, gab es eine andere Gruppierung, die allein aus Spaß an der Technik destruktive Aktionen durchgeführt haben, ohne damit ein höheres Ziel zu verfolgen. Seit ca. 2013 ist es ruhiger um die Gruppierung geworden, es gibt jedoch bis heute Aktivitäten, die Anonymous zugeschrieben werden.

Bewertung

Die Dokumentation strebt an, ein umfassendes und überwiegend neutrales Bild der Anonymous Bewegung darzustellen. Dazu kommen aktive und ehemalige Aktivisten ebenso zu Wort, wie die Personen, die Ziel der Aktionen waren. Auch die Haltung von Kritikern und Strafverfolgungsbehörden wird unkommentiert dargestellt.

Insgesamt ist es jedoch nicht zu verbergen, dass der Filmemacher mit den Hacktivisten sympathisiert. Dennoch ist das Werk hervorragend dazu geeignet, sich sein eigenes Bild und Urteil über die Aktionen von Anonymous zu machen.

Für mich steht über all dem auch die Frage im Raum, inwieweit und mit welchen Mitteln ich mich in die politische und gesellschaftliche Diskussion einbringen möchte. Was passt besser zu mir: Offene Stellungnahme oder verdeckte Aktionen? Und wie weit bin ich bereit, Gesetze oder ethische Regeln zu verletzen, um auf die Gesetzesverstöße und unethische Handlungsweisen anderer aufmerksam zu machen?

Fazit

Der Dokumentarfilm „We are legion – Die Geschichte von Anonymous und Hackern“ von Brian Knappenberger gibt einen ausgewogenen Überblick über Aktionen und Ziele des Anonymous-Kollektivs und lässt Kritiker und Betroffene ebenso zu Wort kommen, wie die Aktivisten aus verschiedenen Richtungen innerhalb der Gruppe. Die Doku ist hervorragend dazu geeignet, sich einen Überblick über das Wirken von Anonymous in den Jahren 2008-2012 zu verschaffen und seine eigene Meinung dazu zu bilden. Größtenteils empfehlenswert.

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TitelWe are legion – Die Geschichte von Anonymous und Hackern
MediumDVD
Dauer95 Minuten
Format16:9
SpracheEnglisch mit deutschen Untertiteln
Altersfreigabeab 12 Jahren
Veröffentlichung2012
RegieBrian Knappenberger

Diese Filmbeschreibung ist Teil meiner Reihe über sogenannte Hacker-Filme, das sind Filme, in denen Computereinbruch und kreative Techniknutzung eine gewisse Rolle spielen oder sogar zum Hauptthema erhoben werden. Ich beschäftige mich mit der Darstellung dieser digitalen Subkultur aus privatem und beruflichem Interesse. Häufig sind die technischen Details haarsträubend unrealistisch und durch Effekte dargestellt, die allein der Dramaturgie dienen, nicht dem Verständnis der Technik. Die Sammlung „Hacker-Filme“ wird am Ende über 40 Einträge umfassen.

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