Alle christlichen Kirchen feiern das Abendmahl. Doch jede Glaubensrichtung hat ihr eigenes Verständnis von dem, was bei diesem Akt passiert. Kann es sein, dass dieser alte Brauch eine heilende Wirkung innehat?
Inhalt
Joseph Prince, Pastor einer evangelikalen Freikirche in Singapur, hat einige Bücher zur Erbauung von Gläubigen geschrieben. Im vorliegenden Buch behandelt er das Abendmahl, dem er eine heilende Wirkung zuschreibt. Das erläutert er an verschiedenen Bibelstellen. Seit der Reformation ist die Lehre vom „allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“ verbreitet, die davon ausgeht, dass jeder Christ religiöse Handlungen vornehmen darf, in diesem Fall auch das Abendmahl.
In der Argumentation empfiehlt Prince daher allen Gläubigen, regelmäßig das Abendmahl zu halten, damit sie gesund bleiben und lange leben. Er leitet das Abendmahl weit aus dem alten Testament her. Denn das erste Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gehalten hat, fand im Rahmen des jüdischen Passah-Festes statt. Auch in jemem Ritus geht es um Rettung durch das Blut eines Lammes. Jesus selbst vergleicht sich mit einem Lamm, das für die Sünden aller Menschen geopfert wird.
Ausgangspunkt für Prince war, dass er das Abendmahl mit großen Schuldgefühlen erlebt hat. Ursache war eine streng gesetzliche Interpretation einer Bibelstelle aus dem Korintherbrief. Darin ist von der “unwürdigen Teilnahme” am Abendmahl die Rede. Diese Auslegung widerlegt der Autor schlüssig aus dem Textzusammenhang.
Im zweiten Teil des Buches berichtet er von der Abendmahlspraxis von Gläubigen aus seiner Gemeinde und von den Wundern, die sie dadurch erlebt haben. Heilung von Krankheiten, selbst in Fällen, in denen die Ärzte bereits alle Hoffnung aufgegeben haben, schreiben die Zeugen dem gemeinsam gefeierten Abendmahl zu. Und der Autor schließt mit der Empfehlung, sich diesem guten Brauch anzuschließen.
Bewertung
Ich gebe zu, dass ich etwas skeptisch an dieses Buch herangegangen bin. Ich bin offen für neue geistliche Erlebnisse, die meinen Horizont erweitern und will mich von keiner geistlichen Strömung vereinnahmen lassen – solange nicht das Kreuz und die Auferstehung von Jesus geleugnet werden. Doch leider bestätigt sich meine Befürchtung in diesem Buch.
Niemals spreche ich einem anderen Christen ab, dass er tatsächlich durch ein Wunder geheilt wird, denn Gott ist allmächtig. Doch das Abendmahl als „Wundermittel“ konnte ich bisher nicht aus den Texten der Bibel herauslesen. Die Argumentation von Prince baut auf der Bibelstelle im 1. Korintherbrief Kapitel 11 auf. Dort beschreibt Paulus noch einmal, welche Bedeutung das Abendmahl hat – und rügt den gedankenlosen Umgang der Christen in Korinth mit diesem Thema.
Denn wer davon nimmt, ohne zu bedenken, dass es hier um den Leib von Christus geht, der liefert sich selbst dem Gericht Gottes aus. Deshalb sind so viele von euch schwach und krank, und nicht wenige sind schon gestorben.
Die Bibel, 1. Korinther 11, 29-30
Im vermeintlichen Umkehrschluss liegt der Denkfehler des Autors, denn er schließt daraus:
Wenn wir wissen, was der Leib des Herrn bedeutet, werden wir in seiner Gesundheit und in seinem Heil-Sein leben.
Joseph Prince, S. 16
Doch die Verneinung einer Schlussfolgerung in dieser Art ist nicht zulässig. Das bedeutet, es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Christ dadurch gesund wird, dass er an die Heilung durch das Abendmahl glaubt, aber einen Automatismus kann man aus dieser Textstelle nicht ableiten. Leider baut Prince die komplette nachfolgende Argumentation auf diese Aussage auf.
Er bringt in der Folge viele gute Argumente, von denen ich etliche selbst befürworte, allerdings nicht im genannten Zusammenhang. Die Berichte von Wundern sind für mich absolut glaubwürdig, was wäre das für ein kleiner Gott, wenn er nicht auf übernatürliche Weise Wunder wirken könnte. Doch ich glaube, dass die Wunder allein aus dem Glauben der Christen kommen. Und der Glaube kann durch äußere Handlungen gestärkt und gestützt werden, auch durch das Abendmahl.
Persönliches
Ich finde es sehr schade, dass die Argumentation in diesem wichtigen Thema so daneben geht. Ich kann mit dem Autor mitfühlen, wenn er von den vergangenen Gewissensbissen berichtet – und davon, dass er zeitweise lieber auf das Abendmahl verzichtet hat, als sich daran zu versündigen. Auch ich habe in Jugendjahren ähnliche Aussagen erlebt. Man solle sich ganz sicher sein, dass man auch wirklich jede Sünde bekannt hat, damit sie vor dem Abendmahl vergeben sei. Sonst würde man das Abendmahl „unwürdig“ einnehmen, was direkt in die Hölle führen könne.
Wie befreiend war es, als ich die einmalige und endgültige Vergebung der Sünden verstanden habe. Seitdem empfinde ich große Freude beim gemeinsamen Abendmahl mit anderen Christen. Allein für die Aufarbeitung dieser falschen Auslegung hätte das Buch einen Ehrentitel verdient.
Ich freue mich für jeden Gläubigen, der durch seinen Glauben echte Wunder erlebt. Ich freue mich darüber, dass ich befreit und voll Freude mit anderen Christen das Abendmahl nehmen kann, es erinnert mich an die einmalige Tat, die Jesus für mich vollbracht hat. Mehr als das möchte ich dem Abendmahl aber nicht zusprechen. Das ist meine persönliche Meinung, ich verurteile niemanden, der darin etwas anderes sieht und dadurch in seinem Glauben an die übernatürliche Kraft Gottes gestärkt wird.
Fazit
Jospeh Prince beschreibt in seinem Buch „Gesund und heil durch das Abendmahl“ die Wirkung des Abendmahls als Quelle von Wundern. Leider beruft er sich dabei auf eine sachlich fehlerhafte Begründung. Auch wenn ich das Erlebte und die Folgen für wahr halte, kann ich die Argumentation des Autors nicht teilen. Wegen des gelungenen zweiten Teils noch befriedigend.
Ich traue diesen Predigern nicht, die aus einer sehr eigenwilligen Auslegung plötzlich “die heilsame Erkenntnis” haben (und natürlich gut vermarkten), weil es auch in christlichen Kreisen eine vermehrte Sehnsucht nach Wundern gibt. Besonders mulmig wird mir bei den Beschreibungen der Heilungen durch das Abendmahl. Da ist nicht deutlich genug hervorgehoben, dass man sich in jedem Fall von Ärzten behandeln lassen sollte.
Dennoch fand ich manche Passagen des Buchs in Ordnung und sogar inspirierend.
Gruß
Sven