Gerade in der Softwareentwicklung hat der Modebegriff „agil“ in den letzten Jahren eine nahezu göttliche Rolle eingenommen. Alle machen „agil“. Das beinhaltet eine neue Organisationsstruktur in den Unternehmen, von Hierarchie kann man in diesem Zusammenhang nicht mehr sprechen.
Softwareteams streiten sich darüber, ob SCRUM oder Kanban das bessere System sind – und übersehen dabei vollständig, dass ganz andere Probleme den Weg versperren. Beim Wandel von klassischem Projektmanagement zu den neuartigen Methoden kommt es regelmäßig zu Konflikten. Leiter werden ihrer Leiterrolle beraubt. In den Teams soll jedes Mitglied gleichwertig sein. Häufig führt das entweder zu einem neuen Machtgefüge oder zu Anarchie.
Der Titel des Buches verspricht Abhilfe. Wie nicht anders zu erwarten, überraschen die Autoren nicht mit unbekannten Konzepten, sondern zeigen Wege auf, wie bewährte Methoden der Motivation in die neue Arbeitswelt hineinwirken.
Mitarbeitermotivation ist dabei der absolute Schlüsselbegriff, denn motivierte Mitspieler in den Arbeitsgruppen garantieren den Erfolg. Das erfordert Umdenken bei den Leitungspersonen ebenso wie bei jedem einzelnen Kollegen. So kommen selbstorganisierte Abteilungen keineswegs ohne Leitung aus, aber der Leiter übernimmt nicht mehr die Rolle des Anführers, sondern eher des Mentors und Vermittlers. Das hat dann weniger mit Hierarchie zu tun, als mit Lebenserfahrung und Wertschätzung.
Ebenso übernimmt der Leader das Abstecken der Rahmenbedingungen. Ziele müssen klar definiert werden, das kann in zeitlicher und finanzieller Hinsicht sein, und endet beim Arbeitsergebnis. Letzteres ist aber nicht mehr in Stein gemeißelt, denn zufriedene Kunden sind wichtiger als die 1:1 Umsetzung des ersten Entwurfs. Die Gesamtheit dieser Aufgaben führt dazu, dass die geänderte Leiterrolle eher psychologische als organisatorische Aspekte umfasst.
Alle Beteiligten der neuen Arbeitsorganisation müssen auf ihre umdefinierte Rolle vorbereitet werden. Schulungen für Leiter wie für Teamworker sind zwingende Voraussetzung für den Erfolg. Es funktioniert wie bei einer Fußballmannschaft: Das entscheidende Spiel ist wichtig, aber das Team wird zwischen den Spielen geformt, gefestigt und in einzelnen Fertigkeiten trainiert. Nach diesem Vorbild können auch Arbeitsgruppen in Unternehmen zu selbstorganisierenden Mannschaften formiert werden. Konkrete Beispiele für die Rollen des Scrum-Masters, des Product Owners, eines Entwicklers und des Managers erklären dies praktisch.
Zusammenfassend wollen Boris Gloger und Dieter Rösner mit ihrem Buch nicht die Rolle eines Leiters abschaffen, sondern an agile Arbeitsmethoden anpassen. Viele der beschriebenen Aspekte beruhen auf Wertschätzung, Freiwilligkeit und positiver Arbeitsatmosphäre. Sind die Teamleiter dazu bereit, dann gelingt der Wandel ohne Frust und Anarchie. Für angehende Gruppenleiter kann ich die Lektüre empfehlen. Das Werk bietet wenig Neues, aber fasst wichtige Methoden kompakt zusammen und lenkt den Fokus auf das Wesentliche. Insgesamt gut.