Psychologie der Massen – Lehrbuch für Populisten

Buchtitel: Psychologie der Massen

Die Französische Revolution hat das dunkle Gesicht der Volksmenge gezeigt. Der Pöbel jagt und tötet den Adel, später seine eigenen Anführer. Alles im Glauben, damit Gutes zu bewirken. Der Psychologe Gustave Le Bon beschreibt in seinem Buch genau diese Phänomene. Der Volksaufstand in seinem Heimatland dient ihm als Vorlage. Sein Werk wiederum ist wie ein Handbuch für Populisten in aller Welt.

Inhalt

Eine Masse von Menschen hat eine eigene Seele und handelt wie eine Einheit. Diese Beobachtung begründet den Fachbereich Massenpsychologie. Das Wesen einer Menschenmenge unterscheidet sich vom Wesen jeder einzelnen Person in dieser Menge. Leider richtet sich die Massenseele nach den schwächsten Individuen.

Le Bon beschreibt seine Beobachtungen, die keinen wissenschaftlichen Beweis darstellen. Viele Punkte sind aber bis heute überraschend real.

Das Wesen einer Menschenmenge ist impulsiv, leicht zu beeinflussen und überschwänglich in seinen Gefühlen. Die Menge folgt gerne einer Autorität. Sie verhält sich dabei sittlich – nach ihrem eigenen Verständnis. Verallgemeinerungen und oberflächliche Urteile sind typische Kennzeichen für eine Gruppe.

Die Meinung wird durch Führer gebildet. Sie reden in emotionalen Bildern und erzeugen dabei Illusionen, die jeder Vernunft widersprechen. Zum Führer werden nicht die Denker, sondern die Macher ernannt. Sie sind despotisch und spielen mit Behauptungen, Suggestionen und Glaubenssätzen. Durch häufige Wiederholungen prägen sich die Parolen ein. Prestige und Erfolg sind die wichtigsten Auswahlfaktoren für die Anführer.

Massen lassen sich in Kategorien einteilen. Heterogene Massen haben wenige gemeinsame Merkmale. Homogene Massen haben eine übereinstimmende Überzeugung, gehören ähnlichen Berufsgruppen an oder teilen Interessen und Lebensgewohnheiten.

Zum Abschluss nennt Le Bon einige Beispiele für seine Massenpsychologie:

Kriminelle Massen, Geschworene bei Gericht, Wähler und sogar Parlamente: Allen ist gemeinsam, dass sie von starker Suggestion gelenkt sind. Die moralischen Vorstellungen der Einzelnen weichen der Gruppenmoral. Die Zusammensetzung der Gruppen spielt kaum eine Rolle, sie folgen dem Wortführer mit dem größten Prestige. Einzelne fühlen sich durch die Zugehörigkeit zur Gruppe geschmeichelt und verlieren ihr Urteilsvermögen. Das kann sogar in Gewalttaten und Verbrechen enden.

Mit diesen Beispielen endet das Buch, ein Fazit oder Nachwort gibt es nicht.

Bewertung

Zunächst einmal ist es für mich erschreckend, wie nah die Beschreibung der Volksseele bis heute an der Realität ist. In Teilen Europas breiten sich die Populisten aus, von den USA ganz zu schweigen. Schon die Nationalsozialisten im Dritten Reich sollen sich am Werk von Gustave Le Bon orientiert haben. Auch in der Gegenwart habe ich den Eindruck, dass manche Politiker dieses Buch als Vorlage verwenden.

Dabei vertritt der Autor eigene Überzeugungen, als seien sie Fakten. Er ist offensichtlich Atheist und hat eine Abneigung gegen sozialistische Politik. Beiläufig scheint er mit seinen Ausführungen zu belegen, wie falsch die Ansichten der Linken und der Gläubigen sind. Das sorgt bei mir für Unbehagen und ich werde seine Argumentation besonders kritisch prüfen. An manchen Stellen bewertet er selbst den Populismus positiv.

Trotzdem stelle ich fest, dass viele seiner Voraussagen nach der Veröffentlichung wahr geworden sind. Wenn in den Nachrichten über Demonstrationen in Sachsen oder die politische Argumentation der Parteien am rechten Rand berichtet wird, dann ist die Ähnlichkeit mit den Feststellungen im Text verblüffend. Alle Digitalisierung hat nicht dazu beigetragen, dass sich dieses Phänomen ändert.

Der Inhalt dieses Buchs gehört zum Allgemeinwissen. Doch auch hier nimmt mir der Autor jegliche Illusion: Nach seiner Aussage hilft die Bildung nicht. Emotion und Verführung sind stärker, sobald sich Menschen in einer Menge versammeln und nicht mehr als Einzelne handeln. Sind wir am Ende den Populisten hilflos ausgeliefert?

Fazit

Gustave Le Bon hat in seinem Buch „Psychologie der Massen“ bereits 1895 beschrieben, dass Menschenmassen einen eigenen Charakter annehmen. Eine Menge von Menschen handelt anders, als jeder Einzelne daraus handeln würde. Das Werk beschreibt Art und Wesen des Populismus erschreckend exakt. Auch wenn ich nicht allen Voraussetzungen des Autors folge, hilft mir das Buch beim Verständnis des aktuellen Tagesgeschehens. Lösungsansätze bietet der Text leider nicht.

TitelPsychologie der Massen
AutorGustave Le Bon
ÜbersetzerRudolf Eisler
ISBN978-3-7306-0348-2
VeröffentlichtAnaconda Verlag, Köln
Originalausgabe"Psychologie des Foules", Paris 1895
Auflage1. Auflage der Neuausgabe 2016 auf Basis der zweiten, verbesserten Auflage von 1912
Formatgebunden, 191 Seiten
Dewey-Klassifikation302.33

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