Vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen an die Pforte der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen, um mit anderen Gelehrten jener Zeit über den Ablasshandel der katholischen Kirche zu diskutieren. Damit will er seine Kirche zu einem Umdenkprozess anregen. Entgegen seinen ursprünglichen Absichten führt dies jedoch zu einer Spaltung der Kirche und der Gründung der evangelischen Konfession.
In den folgenden Jahren muss Luther sich vor kirchlichen Gerichten und Würdenträgern für sein Handeln verantworten und flieht inkognito auf die Wartburg in Thüringen. Dort übersetzt er 1521 das Neue Testament. In den nächsten Jahren bis 1534 folgen das alte Testament und die Apokryphen, so entsteht eine vollständige deutsche Bibelausgabe.
Bereits in den ersten Jahren wird die Bibel so oft gedruckt, dass ein bedeutender Teil der lesekundigen Deutschen eine Bibelausgabe besitzt. Damit kann sich jeder ein Bild über den Inhalt der Bibel machen und die Lehren der Kirche am Wort Gottes prüfen.
Seit dem zwanzigsten Jahrhundert erscheinen im Abstand von einigen Jahrzehnten revidierte Ausgaben der Lutherbibel, die sanft an die jeweils gültige Rechtschreibung angepasst werden. An wenigen Stellen fließt die aktuelle theologische Forschung mit ein, wobei die kernige Ausdrucksweise Luthers erhalten bleibt. Das Ansinnen Luthers, dem „Volk auf’s Maul zu schauen“, also zeitgemäße und verständliche Sprache zu verwenden, geht zunehmend verloren, denn die Luther-Bibel spiegelt die Umgangssprache vor 500 Jahren wider.
Für das Jahr 2017 habe ich mir vorgenommen, die komplette Luther-Bibel durchzulesen. Dabei war mit das Bibeltagebuch „365“ von der Stiftung Bibelliga eine wertvolle Unterstützung, denn in diesem Kalender sind für jeden Tag ca. 3-4 Kapitel aus der Bibel vorgeschlagen, dazu gibt es eine Seite Platz für persönliche Notizen. Das Buch kann man kostenlos auf der Webseite der Bibelliga bestellen, eine freiwillige Spende wird erbeten.
Einige meiner Ansichten über die Bibel und den christlichen Glauben habe ich im vergangenen Jahr neu bewertet. Auch heute noch werden in Kirchen und Gemeinden „Wahrheiten“ gepredigt, die sich so nicht in der Bibel wiederfinden. Dabei war es teilweise hilfreich, die Heilige Schrift in der alten Sprache zu lesen, denn dann kann man nicht so schnell über wichtige Stellen hinweglesen. Andererseits hemmt die veraltete Redeweise den Lesefluss, so dass mitunter der Überblick über den großen Zusammenhang verloren geht.
Für das kommende Jahr habe ich mir vorgenommen, das Experiment zu wiederholen, allerdings mit einer zeitgemäßen Bibelübersetzung, ich habe mich für die „Hoffnung für alle“ entschieden.
Mein persönlicher Gesamteindruck ist: Ich möchte mehr nach dem Vorbild von Jesus Christus leben und nicht nach den Regeln, die Kirchen und Gemeinschaften sich selbst auferlegt haben. Die Pharisäer zur Zeit von Jesus haben die Einhaltung der Regeln höher bewertet, als den liebevollen Umgang mit den Mitmenschen. Das hat Jesus offen kritisiert und vorgelebt, wie man es besser machen kann.
Fazit: Es ist lohnenswert, die Bibel einmal im Ganzen zu lesen, egal ob man der christlichen Religion ablehnend oder positiv gegenüber steht. Mir haben sich historische Zusammenhänge innerhalb der Bibel ebenso neu erschlossen wie theologische Aussagen und deren Herleitung aus der Geschichte. Die alte Sprache ist gewöhnungsbedürftig, war in meiner Situation aber hilfreich.
Titel | Die Bibel |
Übersetzerin | Dr. Martin Luther |
Erschienen | 1985 bei Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart |
Auflage | 1988 |
Format | gebunden, 1488 Seiten |
ISBN | 978-3-438-01574-7 |